Protokoll des Psychoseseminars vom 21.06.2006
Zunächst erfolgt die Begrüßung des Auditoriums. Es ist kein Medinziner/in begleitend anwesend.
Warm up
In der Raummitte werden zwei selbstgebastelte Papppuppen drapiert. Die eine Puppe wird mit Watte bis zum Kopf umwickelt. Die andere Puppe wird dieser gegenüber gestellt und bleibt ohne Watte. Ein paar Wattebausche werden im Raum ausgelegt.
1. Frage: Wie wirkt die Skulptur auf Sie?
Einige TeilnehmerInnen schildern dass die in Watte gepackte Puppe dick wirkt. Das diese eine größere Distanz zur Aussenwelt hat als die andere. Die andere Puppe kann auch die Arme bewegen und könnte sich selbst helfen, was bei der Puppe in Watte nicht der Fall ist. Die Wattepuppe würde schneller aus dem Gleichgewicht geraten und weicher fallen. Die andere Puppe macht einen bodenständigen Eindruck. In der Watte könnten sich Vorurteile fangen, die einmal von dem Betroffenen und zum anderen von der Aussenwelt kommen.
2. Frage: Was bedeutet „in Watte packen“ für jeden von uns?
In Watte packen verbinden viele der Teilnehmenden damit z. B. Medikamente einzunehmen die vor Reizüberflutung schützen können. Die Medikamente können dann je nach Schutzbedürfnis erhöht oder erniedrigt werden. Sich selbst in Watte packen, bedeutet, sich in verschiedenen belastenden Situationen heraus zu ziehen. Eine Teilnehmerin berichtet darüber, das sie bei Familienfeiern schlecht „durchhalten“ kann, sie die Situation schnell über-fordert und sie mit ihren Angehörigen, die sehr rücksichtsvoll mit ihr umgehen, ein Einvernehmen darüber hat. Wenn es ihr zuviel wird geht sie.
Jemand in Watte packen kann auch Rücksichtnahme auf denjenigen bedeuten.
Von Angehörigen oder Arbeitgebern in Watte gepackt werden, kommt aber bei einem Teilnehmer nicht gut an. Er fühlt sich ausgegrenzt aus der Welt der Arbeit und seine Fähigkeiten werden nicht angemessen genutzt. Er wünscht sich mehr ernst genommen zu werden und denkt, dass er intelligente und komplexe Arbeit verrichten könnte, wenn man ihn ließe. Er betont dazu, dass er wahrscheinlich nicht ganz gleichmäßig leistungsfähig sein würde. Ihm bliebe als Alternative noch die Werkstatt für behinderte Menschen, wo er jedoch stark intellektuell unterfordert wäre. Die persönliche Akzeptanz seiner Krankheit gegenüber ist schwierig, es auf dem Arbeitsmarkt als besonders junger Mensch, nicht schaffen zu können und mit der Diagnose „Psychose“ auch noch dazu eine Stigmatisierung zu erfahren. Er fühlt sich damit ausgegrenzt.
Es wird erörtert, dass es für einen Arbeitgeber schwierig ist, mit einem Mitarbeiter zu arbeiten, der nicht gleichmäßig leistungsfähig ist und von Zeit zu Zeit in der Klinik ist.
Im Kollegenteam, erst einmal bekannt als „psychisch krank“, ist man denn gleich schnell mit Mobbing konfrontiert. Der Umgang mit einem psychisch kranken Kollegen, kann andere unsicher machen, welche Situation angemessen ist. Was kann man jemanden zutrauen oder was stellt bereits eine Überforderung dar? Es wird ein Beispiel aus dem Fernsehen genannt. In dem gezeigten Betrieb sind ausschließlich behinderte Menschen beschäftigt. Diese kommen gut mitein-ander klar, weil sie im Kollegenteam erzählen können, das es ihnen z. B. heute nicht gut geht. Dies geht in einem „normalen“ Betrieb schlecht, weil man zu funktionieren hat.
Die Berufsgruppe der Künstler nimmt sich da etwas aus. Es gibt einige bekannte Künstler die eine psychische Beeinträchtigung haben, und daraus „Kapital“ schlagen können, d. h. gute Objekte schaffen, die gekauft werden.
Im Bereich Integrationsbetriebe kann die Stadt und der Kreis Düren z. B. auf die Rur-tec zurückgreifen. In größeren Städten wie Berlin u. a. sind aus den Sozialpsychiatrischen Zentren Integrationsbetriebe hervor gegangen. Es wird das Beispiel von „Die Kette e. V. in Bergisch-Gladbach genannt. Dort arbeitet eine große Mitarbeitergruppe zu ähnlichen Bedingungen wie auf dem ersten Arbeitsmarkt, die Verhältnisse sind jedoch auf psychisch beeinträchtigte Menschen abgestimmt.
Das Thema wird in Richtung persönlichen Umgang mit der in Watte gepackten Person zurückgeführt. Eine Angehörige hat die Schwierigkeit, dass sie mit dem betroffenen Familienmitglied schwer kommunizieren kann. Die Watte wäre wie ein Nebel, der undurchdringlich erscheint.
Pause ca 10 Minuten
Nach der Pause bewegt die Frage: Was denken Sie, wie in dieser Situation die Watte entfernt werden kann. Es geht weiter darum, wie die Watte von außen (Angehörige) durchdrungen werden kann. Der in Watte gepackte kann dann daraus hervor gehen, wenn er meint, dass es für ihn der richtige Zeitpunkt ist. Die Watte steht nun als Symbol für verschiedene Hilfsangebote, die angenommen oder abgelehnt werden können. In manchen wenigen Fällen hilft es einem Betroffenen, wenn man für ihn entscheidet. Er ist dann entlastet. Die Watte müsste einen Reißverschluß haben und die Arme sind unter der Watte beweglich. Nur derjenige kann sich für sich selbst das richtige Maß setzen, wie viel Watte er/sie braucht und wie viel Aussenwelt er/sie sich zutraut.
Ein Psychose- Erfahrener kann zuletzt nur selbst für sich entscheiden. Der Kontrast zum Thema „Zwangseinweisung“ wird gezogen. Dort entscheiden andere was für einen selbst gut sein soll. Es kommt dabei auch zur Sprache, in welcher Weise dabei die Vorgeschichte eine Rolle spielt (jemand wird z. B. aufgegriffen usw.). Die Zwangseinweisung wird als ein angemessenes Instrument bei Selbst- und Fremdgefährdung gesehen.
Das Thema klingt aus.
Als einen weiteren Tagesordnungspunkt wird eine Themensammlung für das nächste Halbjahr von den Anwesenden erarbeitet.
Themenvorschläge waren:
- Psychose und Erziehung
- Psychose und Spiritualität
- Mythos Psychose (Stimme Gottes, Krankheitsgeschichte)
- Psychose auf das Lebensalter bezogen (in jungen und in alten Jahren)
- Psychose und Sucht (Alkohol, Medikamente, Symptome abmildern, Psychose dämpfen, viel schlafen)
- Psychose und Körperwahrnehmung (Entfremdung vom Körper, Tics,)
- Psychose und körperliche Veränderungen (Gewichtszunahme, Zittern, Neben-wirkungen)
Das Seminar wird durch eine Blitzlichtrunde unter der Option: Was kann ich heute Abend für mich mitnehmen? ausgeläutet. Hier hatte jede/jeder die Gelegenheit etwas dazu zu sagen. Auf die Liste für die Selbsthilfegruppe „Psychose-Erfahrene Düren“ wird nochmals hingewiesen. Zuletzt wird darauf aufmerksam gemacht, dass das Psychoseseminar bis Ende August in die Sommerpause geht. Das nächste Seminar findet am 20.September statt. Allen einen schönen Sommer und schöne Ferien.