Protokoll des Psychoseseminars vom 21.04.2004 von 19.00 – 21.30 Uhr
Nach der Begrüßung des Auditoriums und der begleitenden Gäste Hr. Wißmann vom Integrationsfachdienst der Kette e. V. und Hr. Dzimbritzki von den RurTec Werkstätten wird gleich durch eine Kartenabfrage ins Thema reingegangen. Es werden rosa und weiße Karten an die TeilnehmerInnen verteilt. Auf die weißen Karten können die Erfahrungen der TN (TeilnehmerInnen) die mit Psychose und Arbeitsplatz gemacht wurden aufgeschrieben werden. Auf den grünen Karten werden die daraus gezogenen Konsequenzen aufgeschrieben, falls gewünscht und vorhanden. Nachdem die TN 20 Min Zeit zu Überlegungen und Ausführungen schriftlicher Art bekommen haben, wird der Vorschlag gemacht, die Karten vorzulesen, wer möchte und auf den dafür vorgesehenen Pappkarton auf zu bringen. Bereits jetzt schon ist der zeitlich gesteckte Rahmen überschritten, da die individuelle Bearbeitung der gestellten Fragen einige Zeit erforderlich machte. Fast jeder/jede TN hat Interesse seine/ihre Erfahrungen vorzutragen und darüber zu sprechen. Diesen Wunsch wird in Ruhe Rechnung getragen und seitens der Moderation darauf geachtet, dass jedem Beitrag angemessen Zeit eingeräumt wurde. Dabei heraus kamen eine Reihe wichtiger und interessanter Schilderungen der sehr persönlichen Art.
Unter dem Titel Erfahrungen wurden nachfolgende Stichworte gesammelt:
- bei Beginn der Psychose Unkonzentriertheit, kann dem Gegenüber nicht mehr zuhören und folgen
- Beziehungswahn
- Misstrauen
- Als Personal und Kollegen von meiner Krankheit erfahren haben, sind sie skeptisch und unsicher, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollen
- Unsicherheit mit der Einnahme der Neuroleptika (Müdigkeit, Unkonzentriertheit)
- Ich selber bin bei der Arbeit sehr korrekt, versuche keine Fehler zu machen und kontrolliere alles oftmals.
Erster Krankheitschub einer drogeninduzierten Psychose:
Beobachtbar zunächst:
- verändertes Verhalten der Betroffenen (zunächst unerklärlich)
- Er/Sie begann den Kampf gegen Windmühlenflügel
Das Team dazu: es war sehr heftig zerteilt in Gegner und Befürworter
- Krankschreibung, Krach mit Vorgesetzten, Versetzung in einen anderen Arbeitsbereich.
- wenig Verständnis für die Erkrankung am Arbeitsplatz (Kollegen/Vorgesetzte)
- Einsatzfähigkeit durch Medikamente beeinträchtigen (Maschinentauglichkeit)
- Arbeitsverdichtung führt zu mehr Stress -> Belastung -> Erkrankung
- bin kritisiert worden, weil zuviel krank gewesen -> Mobbing
- Diskussionsrunde aufgrund der sedierenden Wirkung der Medikamente in einer zu wenig gesagt
- Mobbing, Abmahnungen
- Sollte auf Überstundenauszahlungen verzichten für ein passables Zeugnis
Patienten die nach längeren Klinikaufenthalten zur Arbeitstherapie zu gehen:
- Froh Beschäftigung zu haben
- Mühsam sich an geregeltes Aufstehen/ frühen Arbeitsbeginn zu gewöhnen
- Beginn mit wenigen Stunden – dann halbe Tage – dann ganzer Tag (Hamburger Modell)
- Freude über Bestätigung durch Arbeit -> Angst vor Anforderungen/ Überforderungen
- Schwierigkeiten: realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Einschränkungen
- Patienten, die in ihrem erlernten Beruf nicht mehr arbeiten können/ nicht mehr Vollzeit arbeiten können
- Frühberatung mit Konsequenzen für Selbstwertgefühl, finanziellen Auswirkungen etc.
- Arbeitssuche, Umschulung, Praktika
- „geschützte Werkstätten“ z. B. Rurtalwerkstätten
Eine Angehörige schreibt:
- Die Arbeitswelt im Kreise der RurTec-Mitarbeiter gibt ihr sehr viel Menschlichkeit, sie fühlt sich verstanden und angenommen.
- Sie fühlt sich verstanden und angenommen.
- Hat noch nie so positive Erfahrungen gemacht
- Habe in Richtung Arbeitswelt noch nie etwas negatives gehört
- Der Tag ist für meine Tochter sehr lang, sie fühlt sich sehr müde und schwach
- Rücken- und Schulterbereich sind verschlissen, so dass sie oft auch unter Schmerzen arbeitet.
Der Leiter der „beschützten Werkstätte“ bemerkt:
- Aus den gemachten Erfahrungen haben wir die Arbeitsplätze gestaltet. Z. B. Rückzugsmöglichkeiten; Zeit für Gespräche; Tagesstruktur
Ein anderer Teilnehmer schreibt:
- Keine Lust zu arbeiten
- Ich hatte es schwer morgens auf zu stehen
- Ich kam auf einen anderen Arbeitsplatz, der mir schwer fiel
- In der Fabrik wollten viele Kollegen wissen, was mit mir passiert ist
- Ich musste mich ein bisschen zurück halten, den es wäre schrecklich rund gegangen in der Firma
- Ich war leitender Angestellter in einem großen Unternehmen. In 11/97 hatte ich meine erste Psychose. Bis 12/99 wurde ich in immer niedrigeren Positionen versetzt. Durch die Psychose kam es 12/99 zu einer Trennung im gegenseitigen Einvernehmen = Arbeitsplatzverlust
Jemand anders schreibt dazu:
- Psychose-Erkrankte verlieren häufig ihre Stellen/Lehrstellen nach der ersten Erkrankung.
- Vor allem in kleineren Betrieben werden Psychose-Erkrankte oft sehr lange mitgetragen.
- Arbeit wird häufig als Funktions- und Wutmessung verstanden nach dem Motto: „Stell dich nicht so an!“ „Warum kannst du das den nicht!“
Eine Angehörige schreibt:
- Mein Mann war am Arbeitsplatz überfordert, weil er Angst hatte. Sein Verfolgungswahn lies ihn nicht los (chronische Psychose)
Ich glaube, er war sehr gefährdet (Selbstmord) und hat keine vernünftige Leistung mehr erbringen können. Nach ca. 14 Jahren arbeitet er jetzt stundenweise bei jemandem, der schon länger zum Bekanntenkreis gehört und ihn so nimmt, wie er ist.
- Starke Ängste, bin ich neuen Anforderungen gewachsen?
- Mobbing
- Stigma „Versager zu sein“
- Probleme mit dem Lebenslauf – große Lücken –
Unter dem Titel: Konsequenzen die man aus den Erfahrungen mit Krankheit und Arbeitsplatz gemacht hat:
- Resignation
- Frührente
- „Hausmann“
- Beziehungskrise
- Kontakt zu den gemeindepsychiatrischen Anbietern von Kontaktstellen und Tagesstätten „Die Kette e. V. und „Triangel“, dem Arbeitsamt und zum Intergrationsfachdienst hergestellt.
- In Begutachtungsverfahren für zeitlich begrenzte Berentung mit Anbindung an Arbeitstherapie ausgesprochen.
- Vermehrt Kündigungen
- Weniger Perspektiven
- Berufliche Rehabilitation / angemessene Stelle / Rente?
- Sie will es schaffen und möchte bei der RurTec (beschützte Werkstätte) ein Leben lang arbeiten.
- Keine Mitteilungen mehr über die Krankheit, da seltsame Rückmeldungen
- Ruhepause einlegen
- Die Probezeit wurde nicht verlängert sondern verkürzt
- Soziales Umfeld aufbauen, um Heilungsprozess zu verbessern
- Mein Mann wurde pensioniert, weil er nicht mehr fähig war zu arbeiten
- Er hat sich einen Schutzraum (Wohnung) gesucht, um erst einmal zur Ruhe zu kommen, sich zu orientieren, langsam am Leben wieder teil zu nehmen und sich zu finden.
- „Hausmann“
- Jetzt 12 Jahr später arbeitet er stundenweise
- Verlust des Arbeitsplatzes
- Rehabilitation machen – langsam wieder aufbauen –
- Mobbing
- Rente beziehen
- Mit wenig Geld zurecht kommen
- Auf dem 2. Arbeitsmarkt tätig sein
- Zweifel an sich selbst – bin ich jemals wieder fähig zu arbeiten -?
- Informationsbedarf
- Arbeitsmöglichkeiten
- Medizinisch-therapeutische Einschätzung zwischen Unter- und Überforderung
- Drogenkonsum problematisieren
- Eigene Sensibilität im Umkreis (etwas) schärfen
- Geduld bei Reintegration
- Entlassung von der Firma, Wiedergutmachung hat nicht geklappt
- Frührente
- Aufhebungsvertrag
- Verzicht auf Überstundenzahlungen
- Trennung von Ehepartnerin
In der dritten Phase nach der kurzen Pause stellt Herr Wißmann den Intergrationsfachdienst und Herr Dzimbritzki ihren Arbeits- und Wirkungsbereich vor.
Aus dem Auditorium werden eine Menge Fragen gestellt und beantwortet. z. B. Sollte die Psychose und die daraus resultierenden Fehlzeiten im Lebenslauf angegeben werden? Antwort: Wenn es mit dem Arbeitsbereich in Zusammenhang steht.
Ist ein „Schwerbehinderter“ unkündbar? Antwort: Nein – Er/Sie ist kündbar, nur das Kündigungsverfahren ist anders.
Themen waren außerdem: Schwerbehindertenausweis, 400 € Jobs und das Verfahren, einen Arbeitsplatz in der RurTec Werkstätte zu bekommen.
Ende der Veranstaltung gegen 21.30 Uhr